Ausgabe 28/07 - 25.07.07

Bildung als Entwicklungshilfe

Goldrain – Die Goldrainerin Doris Gluderer, Kinderärztin im Krankenhaus Sterzing, und ihre Freundin und Kollegin Pamela Visani, Ärztin in Latsch, waren im Juni vergangenen Jahres in Äthiopien in Einsatz. Sie sollten dort für die Vereine „Südtiroler Ärzte für die Dritte Welt“ und „Centro aiuti per l`Africa“ in einer Krankenstation mitarbeiten.Menschlich berührt und bewegt kehrten sie nach Südtirol zurück, fest entschlossen, spezielle Tage für Afrika und dessen Bevölkerung zu organisieren. Die erste Benefizveranstaltung „Africa Day“ fand am 1. Juli im Haus der Solidarität in Milland statt, die zweite wird am 25. August im Bildungshaus Schloss Goldrain organisiert. „Der Vinschger“ hat mit der Kinderärztin Doris Gluderer über ihre Erfahrungen und Ziele sowie über den „Africa Day“ gesprochen.

„Der Vinschger“: Was bewegt zwei junge Ärztinnen, in eine afrikanische Buschklinik zu gehen, um dort auf primitivste Weise zu arbeiten?
Doris Gluderer: Wir waren für die Vereine „Südtiroler Ärzte für die Dritte Welt“ und „Centro aiuti per l`Africa“ im Einsatz. Wir hatten als erste Ärztinnen überhaupt die ehrenvolle und verantwortungsreiche Aufgabe in Meganasse, einem kleinen Ort südlich der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba in einer Buschklinik zu arbeiten. In Äthiopien gibt es auf 1000 Einwohner nur 0,05 Ärzte.

„Der Vinschger“: Welche waren ihre Hauptaufgaben?
Doris Gluderer: Unsere Hauptaufgaben lagen in der Untersuchung und Behandlung von Kindern, in der Schwangerschaftsvorsorge, in der Verabreichung von Impfungen. Wir haben den Menschen Hygienemaßnahmen gezeigt, Babys mit auf die Welt gebracht, Kleider und Schulmaterial verteilt (: die beschränkte Menge, welche wir in unserem Reisegepäck im Flugzeug in der Lage waren mitzubringen) und einfach überall unser Bestes getan, wo gerade Hilfe benötigt wurde.

„Der Vinschger“: Wie wurden Sie in Meganasse aufgenommen?
Doris Gluderer: Herzlich! Von der Liebe und Zuneigung, die wir dort geerntet haben, zehren wir heute noch. Diese Erfahrung hat uns darin bestärkt, diese speziellen Tage für Afrika, für Äthiopien zu organisieren.

„Der Vinschger“: Welche Projekte möchten sie durch die Benefizveranstaltung „Africa Day“ besonders unterstützen?
Doris Gluderer: Wir wollen zwei Projekte in Äthiopien unterstützen, zum einen die Erweiterung einer Mädchenschule in Soddo südwestlich von Addis Abeba, zum anderen den Bau einer Geburtenstation in Meganasse.

„Der Vinschger“: Warum ist Ihnen eine Mädchenschule ein besonderes Anliegen?
Doris Gluderer: Die Situation der Frau dort hat uns sehr traurig und nachdenklich gestimmt. Die Frau trägt die Hauptlast in der Familie, sie muss auf einen Schulbesuch verzichten, wenn zu viele Kinder in der Familie sind und schlicht ihre Hilfe benötigt wird, sie wird oft aus finanziellen Gründen mit älteren Männern verheiratet, sie muss das qualvolle Ritual der Beschneidung über sich ergehen lassen. Wir glauben, dass Bildung der einzige Weg aus diesem Schlamassel ist, die einzige Hoffnung.

„Der Vinschger“: Weiters fördern Sie den Bau eines Geburtshauses in Meganasse. Möchten die Frauen ihre Kinder nicht lieber zuhause auf die Welt bringen?
Doris Gluderer: Die hohe Sterberate bei Müttern und Kindern hat uns bewogen, dieses Projekt zu unterstützen. Wir wünschen uns, dass Mütter eine Chance haben, wenigstens ihr erstes Kind „geschützt“ in einer Klinik auf die Welt zu bringen, dass sie besser untersucht bzw. aufgeklärt werden können. Die durchschnittliche Lebenserwartung äthiopischer Frauen liegt bei knapp 42 Jahren!

„Der Vinschger“: Wieviel Unterstützung kommt aus Südtirol für Ihre Projekte?
Doris Gluderer: Erst kürzlich haben wir erfahren, dass unser Projekt, welches wir beim Amt für Kabinettsangelegenheiten der Provinz eingereicht haben, gutgeheißen wurde! Das erfüllt uns zutiefst mit Freude und Dankbarkeit! So ist bereits ein 1. großer Schritt getan, wir können den Ausbau der Schule finanzieren!

„Der Vinschger“: Der „Africa Day“ soll aber nicht nur zum Sammeln von Geldern da sein, sondern auch die Probleme aufzeigen?
Doris Gluderer: Wir möchten zum einen natürlich helfen, die Schule auszubauen, vor allem die Ausbildung und Bereitstellung von Lehrpersonen, Unterrichtsmaterialien, Schuluniformen und 1 warmen Mahlzeit pro Tag für die nächsten 5 Jahre zu gewährleisten versuchen. Den afrikanischen Völkern ist durch ziellose finanzielle Unterstützung nicht geholfen; Bildung ist die beste Entwicklungshilfe!
Wir möchten aber außerdem durch Bildmaterial (Fotoausstellung, Diashow) unsere MitbürgerInnen auf die dortige Wirklichkeit aufmerksam machen, versuchen - auch wenn das vermutlich nicht ganz einfach sein wird - sie zu sensibilisieren, sie ein bisschen mitspüren/eintauchen zu lassen, in diese andere Welt, dieses ganz unterschiedliche Dasein, welches viel weniger erfüllt ist von materiellem Reichtum als vielmehr von innerem, von Liebe und menschlicher Nähe, die sich ganz ohne Worte abspielt.

„Der Vinschger“: Wie sieht das Programm am 25. August auf Schloss Goldrain aus?
Doris Gluderer: Generell wäre es schön, wenn uns wieder ein Fest gelingen würde, bei dem sich alle wohl fühlen und einen schönen Tag verbringen. In Brixen haben wir mit einer Feldmesse begonnen, anschließend bot die Band SOS herrliche Jazzmusik, am frühen Nachmittag gab’s nach einer typischen äthiopischer Kaffeezeremonie Kaffee und Kuchen, ein ausgiebiges Kinderprogramm mit Filzen und T-Shirtdruck, Clown Doctors, Schatzsuche durch die Pfadfinder, eine Sonnenblumenlotterie, einen Bücherflohmarkt u.v.m. und abends dann Leckeres aus der afrikanischen Küche neben Trommelklängen. Geplant war noch eine Open-air-Diashow, die dann allerdings wetterbedingt nicht mehr stattfinden konnten. Wir hatten untertags aber eine Fotoausstellung laufen und haben pünktlich zum äthiopischen Jahrtausendwechsel auch einen Kalender angeboten, mit Bildern v.a. aus Afrika. Denn, was die meisten vermutlich nicht wissen, ist, dass in Äthiopien ein anderer Kalender existiert, welcher dem unseren um etwa 8 Jahre „nachhinkt“ und dort deswegen im September diesen Jahres das Jahr 2000 eingeläutet wird.
Unser Programm in Goldrain wird ähnlich aussehen. Wir werden vermutlich erst gegen 12 Uhr loslegen, auch weil es dieses Mal ein Samstag ist: Möglichkeit zum Mittagessen, Kaffeezeremonie, Fotoausstellung, ein reichhaltiges Kinderprogramm am Nachmittag, Musik und Open-air-Diashow mit afrikanischer Kost am Abend sowie ein Abendkonzert mit George McAnthony; aber das genaue Programm wird noch bekannt gegeben und Sie finden es außerdem dann im Internet unter www.tesfa.eu

Ein besonderes Dankeschön sei an dieser Stelle all jenen gewidmet, die dazu beigetragen haben, dass diese Veranstaltungen überhaupt möglich wurden! Das sind neben allen bereits auf den Flyern und Plakaten gedruckten Sponsoren v.a. die Stiftung Südtiroler Sparkasse und die Fa. Pedross AG, Latsch sowie die Gärtnerei Wielander, Meran, und die Metzgerei Marsoner, Latsch, welche aus druckterminlichen Gründen leider nicht mehr angeführt werden konnten. Ein herzliches Vergeltsgott auch allen unseren unermüdlichen freiwilligen Helfern.
 

Interview: Ingeborg Rainalter Rechenmacher